Alle Jahre wieder das gleiche Drama. Im Frühsommer und Herbst platzt die Katzenstation im Tierheim in der Flugplatzstr. aus den Fugen. Die Grenze der Aufnahmekapazität ist erreicht. Alle Räume und auch die ausgelagerten Pflegestellen bei Angestellten und freiwilligen Helfern sind voll.
Laut Tierheimleiterin, Patricia Waidele, ist es dieses Jahr besonders schlimm. Alleine in der aktuellen Saison mussten schon fast 250 Katzen aufgenommen werden. Damit hat das Tierheim in Lahr bereits im Juli den durchschnittlichen Bestand eines ganzen Jahres deutscher Tierheime überschritten.
Es handelt sich dabei um nicht nur um Fundkatzen, Herrenlosen Katzen, verwilderten Katzen, Katzen die von Ihren Besitzern abgegeben werden sondern auch um eine nicht enden wollende Welle von Babykatzen.
Manche haben das Glück mit ihrer Mutter ins Tierheim gebracht zu werden. Andere sind Waisen und bedürfen besonders intensiver Pflege, meist beim Personal zu Hause.
Nicht nur der enorme Kostenaufwand für die Kastrationen, Impfungen, den personellen Aufwand, die Futterkosten und die medizinische Versorgung bereiten dem Tierheim große Probleme, sondern vor allem das begrenzte Platzangebot im Katzenhaus und der Katzenquarantänestation.
Viele Katzen kommen zum Teil trächtig, krank oder in erbärmlichstem Zustand in das Tierheim. Viele dieser Tiere, vor allem mutterlose Babykatzen, können nicht sofort wieder in die Vermittlung, sondern müssen für längere Zeit im Tierheim weiterversorgt und aufgepäppelt werden.
„Der Platz im Tierheim ist begrenzt“, so Vorstand Martin Spirgatis. „Aktuell sind alle Unterbringungsmöglichkeiten erschöpft und wir können nur noch aufnehmen, wenn wieder etwas frei wird. Der Andrang ist so groß, dass wir schon wieder die ungeliebten Wartelisten führen müssen. Personell und finanziell sind wir bereits weit über unsere Grenzen hinaus belastet.“
Eine Entspannung der Situation wird noch Wochen auf sich warten lassen. Deshalb appelliert das Tierheim um Verständnis, wenn nicht alle Abgabetiere oder verwilderte Katzen sofort aufgenommen werden können. Die Aufnahme von Fundkatzen oder gar verletzten Tieren steht natürlich weiterhin an erster Stelle.
Seit drei Jahren bemüht sich der Tierschutzverein um den Bau einer neuen, größeren Katzenquarantänestation, die die Aufnahmekapazität verdreifachen soll. Die Stadt Lahr hat ihre Hilfe bereits zugesagt. „Nun hängt alles am Land Baden-Württemberg“ so der Vorstand. „Der Neubau wird uns rund 100.000 € kosten. Das Land hat für solche Projekte einen Fördertopf, der sich mit einem Drittel an den reinen Baukosten beteiligen kann. Mit dieser Hilfe von ca. 33.000 € könnten wir dieses Jahr den Neubau stemmen.“
Doch auch jeder Katzenhalter kann dazu beitragen die Situation, die alle Tierheime in Deutschland in Atem hält, zu entschärfen. „Lassen Sie Ihre Katze kastrieren!“ so der einhellige Tenor aller Angestellten und freiwilligen Helfer im Tierheim. Diese dringende Bitte geht auch an die Tierfreunde, die frei lebende Katzen füttern. Denn dort hat ein großer Teil der Katzenschwemme seinen Ursprung. Erst sind es nur ein oder zwei hungrige Katzen, denen mal die eine oder andere Portion rausgestellt wird. Innerhalb weniger Monate werden es aber Dutzende hungriger Mäuler. Meist wird erst dann der Tierschutzverein zur Hilfe gerufen. Die Kosten, die der Verein durch sogenannte Katzenkolonien entstehen sind enorm. „Alleine im Jahr 2011 mussten wir fast 40.000 € für Kastrationen und medizinische Versorgung ausgeben“ kommentiert Vorstand Martin Spirgatis. „Nicht eingerechnet sind die Kosten für das Futter und das Personal zur Nachversorgung der Tiere im Tierheim. Von den unzähligen, ehrenamtlichen Stunden, die für das Einfangen einer mehrköpfigen Kolonie anfallen, ganz zu schweigen.“
Auch Schweigen möchte der Vorsitzende lieber über seine Meinung zu den vermeintlichen Tierfreunden, die solche Kolonien erst ran züchten und wenn es dann zu viel wird, das Problem mit der „moralischen Keule“ auf den Tierschutzverein abwälzen. „Auch die meisten Gemeinden halten sich bei dem Thema leider vornehm zurück. Das Problem wird einfach ignoriert, denn der Tierschutzverein wird es ja schon richten!“ Lobend erwähnt er die Gemeinde Friesenheim, die sich zumindest an den Kastrationskosten beteiligt.
Doch die Gemeinden können mehr tun und dies ohne die Gemeindekassen zu schröpfen! Die Lösung wäre eine Katzenschutzverordnung, die bereits seit vier Jahren in immer mehr Städten in Deutschland Einzug hält. Durch die Änderung der Kommunalverordnung wird den Katzenhaltern eine Kastrations- und Kennzeichungspflicht ihrer Tier auferlegt. Diese Maßnahme wurde 2008 erstmals in Paderborn etabliert und hat dort bereits zu guten Erfolgen geführt. Während in Nordrhein-Westfalen und Niedersachen viele weitere Gemeinden folgen, sieht es in Baden-Württemberg noch schlecht aus. Kaum eine Gemeinde befasst sich überhaupt mit dem Thema. „Es wäre ein wichtiges Zeichen, wenn die Ortenau hier als Vorreiter in Baden-Württemberg mit gutem Beispiel voran geht. Gerade in unserer besonderen klimatischen Lage, sind wir beim Thema Katzenpopulation weit vorne, wie auch die Aufnahmezahlen unseres Tierheims belegen!“ meint Martin Spirgatis. „Seine Tiere unkastriert und ohne Kennzeichnung frei laufen zu lassen, ist unverantwortlich. Auch gegenüber dem Tier!“ Sehr deutlich zeigt dies auch die sogenannte Rückvermittlungsquote. „Während von 10 gefundenen Hunden 9 wieder an ihre Halter zurück gegeben werden können, sind es bei 10 gefundenen Katzen gerade mal eine!“ Würden die Halter ihre Katzen kennzeichnen, wäre diese Quote deutlich besser.